Bei autonomen Fahrsystemen ist die Sensorik besonders gefordert. Sie muss die Verkehrssituation in der Umgebung rasch, umfassend und unmissverständlich erkennen. Äußere Störeinflüsse oder ein falsch interpretiertes Geschehnis in der Fahrzeugumgebung können zu undefiniertem Verhalten des Fahrzeugs, zu Stillständen, im schlimmsten Fall zu einer neuen Art von Unfällen führen.

"Wer also von autonomem Fahren spricht, spricht von noch unbekannten Fahr-Situationen", ist Hans Tschürtz, Leiter des Kompetenzzentrums Vienna Institute for Safety and Systems Engineering (VISSE) und des Masterstudiums Safety and Systems Engineering an der FH Campus Wien, überzeugt.

Wiener Safety Know-how für autonome Zukunft

Das Kompetenzzentrum VISSE forscht seit einigen Jahren an der Systemsicherheit autonomer Fahrzeuge und ist aktuell Partner in mehreren Projekten. Im FFG-Flagship Projekt "iLIDS4SAM" -Integrated LiDAR Sensors for Safe & Smart Automated Mobility bündeln elf führende österreichische Partner*innen aus Industrie und Wissenschaft unter der Leitung von Infineon Technologies Austria ihr Know-how.

Das Ziel ist, ein leistungsfähiges und kostengünstiges Laser-Sensorsystem zu entwickeln, das das Fahrzeug zu einem intelligenten und vorausschauenden Verkehrsteilnehmer macht. Das VISSE ist auch am Projekt "TARO" - Towards Automated Railway Operation der ÖBB beteiligt. Hier entwickeln die Safety-Expert*innen ein Framework für die Simulation von PeopleMover-Systemen im On-Demand Mode auf eingleisigen Strecken.

Unterwegs auf revitalisierten Nebenbahnen

Anhand eines eigens konzipierten Vorgehensmodells unterziehen die VISSE-Forscher*innen verschiedene Fahrsituationen einer Safety-Analyse. Dabei entschieden sie sich für ein Testmodell mit so genannten PeopleMovern.

"Auf die Personenbeförderung mit selbstständig fahrenden PeopleMovern ist ein Studierender gekommen, da sich stillgelegte Nebenbahnen perfekt dafür nutzen ließen, also wichtige Grund-Infrastruktur bereits vorhanden ist. Es wäre eine ökologisch sinnvolle und nachhaltige Mobilitätsform und deshalb eine interessante Alternative zum motorisierten Individualverkehr", bekräftigt Hans Tschürtz. Getestet wird mit dem langjährigen Kooperationspartner TeLo Gmbh im firmeneigenen Open Track Test Lab (OTTL) in Gersdorf an der Feistritz/Steiermark.

Das Open Track Test Lab (OTTL) in Gersdorf an der Feistritz/Steiermark der TeLo GmbH

Fahrsituationen auf dem Prüfstand

Dazu definierten die Safety-Forscher*innen verschiedene Fahrszenarien und Situationen, etwa das Einfahren des PeopleMovers in eine Station mit Passagieraufkommen, das Verlassen der Haltestelle, oder das Zufahren auf potenziell gefährliche Kreuzungen mit querenden Fahrzeugen und beeinträchtigter Sicht.

Diese Situationen werden als Use Cases analysiert und im OTTL des Unternehmenspartners TeLo getestet. "Diese Tests liefern uns wesentliche Erkenntnisse dafür, die Sensorik so zu entwickeln, dass sie kritische Situationen rechtzeitig erkennt, richtig interpretiert und das Fahrzeug seine Bewegungen danach ausrichtet. Das Ziel ist maximale Sicherheit bei gleichzeitig hoher Verfügbarkeit des Fahrzeugs", unterstreicht Hans Tschürtz.

Schwergewicht in der Safety-Forschung

Das Konzept der funktionalen Sicherheit sieht für kritische Situationen an einer Anlage oder in einem System das Auslösen eines "Stopps" vor, entweder vom System selbst veranlasst, in seltenen Fällen auch manuell betätigt. In jedem Fall geht es darum, einen so genannten "sicheren Zustand" des Systems zu erreichen, was allerdings auch Stillstände im Betrieb zur Folge hat.

Die von den VISSE-Expert*innen entwickelte Methode der inhärenten Systemsicherheit sieht vor, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen. "Autonomes Fahren ist eine hochgradig komplexe Angelegenheit in einem Super-System mit vielen beteiligten Systemen", erklärt Hans Tschürtz. "Deshalb geht unser Modell der inhärenten Systemsicherheit davon aus, den Faktor Sicherheit bereits von Anfang an in jedem noch so kleinen Teilsystem zu berücksichtigen, um die Systeme in solch einem Super-System inhärent sicher zu machen und so auch Stillstände zu vermeiden."

Neben den aktuellen Projekten mit Infineon Technologies Austria, der ÖBB oder TeLo GmbH greifen Unternehmen wie Oberaigner, Thyssen Krupp Budapest und Knorr Bremse Budapest seit mehreren Jahren auf das Know-how der Wiener Safety-Forscher*innen zurück.

TeLo und VISSE: Gemeinsam innovativ

Das VISSE und TeLo arbeiten seit vier Jahren intensiv zusammen. Das steirische Unternehmen verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Maschinen- und Anlagensicherheit und im Safety and Systems Engineering. TeLo-Geschäftsführer Christian Loidl, auch Lehrender im Masterstudium Safety and Systems Engineering, forciert Forschung auch in seiner Unternehmenspraxis.

Ein Schwerpunkt liegt derzeit auf dem autonomen Bahnverkehr. Dazu errichtete er auf dem Firmengelände im steirischen Gersdorf an der Feistritz ein 2.500 m2 großes Testareal, das OTTL. Hier können Studierende der FH Campus Wien und auch Unternehmen Situationsanalysen, Testungen neuartiger Sensortechnologien oder logistische PeopleMover-Konzepte im Labormaßstab durchführen und entwickeln.

www.fh-campuswien.ac.at

Hans Tschuertz FH Campus Wien
Quelle: 
futurezone.at
21.12.2020